Hohenloher Tagblatt vom 19.10.2013
Von Peking
nach Amlishagen
Siegfried Maekers Herz schlägt seit Jahrzehnten für „gewachsene Musik“
Gäbe es nicht die Fotos, die
sozusagen als Beweismittel dienen, könnte man glauben, man
säße Käpt’n Blaubär
gegenüber. Siegfried Maeker hat deutsche, russische, mongolische
und chinesische Wurzeln.
ERWIN ZOLL
Amlishagen.
Auch wenn es in den letzten
Jahren etwas ruhiger um ihn geworden ist, ist Siegfried Maeker immer noch
eine feste Größe in der Hohenloher Kulturszene. Der Musikmanager und
-produzent, der kürzlich 75 Jahre alt geworden ist, ist immer noch in ganz
Deutschland aktiv, schickt seine Bands zu Festivals in vielen europäischen
Ländern und legt deshalb an einem Wochenende schon einmal 1200 Kilometer mit
dem Auto zurück.
In der Familie seiner russisch-mongolischen Mutter
gibt es einen Urgroßvater, der Tee aus Südchina über die Mongolei nach Moskau und Sankt Petersburg
exportiert hat. Ein anderer Urgroßvater war ein Kosaken-Hauptmann, der in Urga, der heutigen
mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator, die russische Gesandtschaft bewacht hat
– und natürlich seine Mutter selbst, die in der chinesischen Hafenstadt
Tientsin, später in Peking gearbeitet hat. In Peking lernte die Mutter Mitte
der 30er-Jahre Siegfried Maekers Vater kennen, einen deutschen Ingenieur,
der für eine Berliner Firma in Peking arbeitete. Er verkaufte Röntgengeräte
nach China – das erste davon an ein Krankenhaus in Peking. Bei dieser
Gelegenheit fanden die beiden zusammen, sie heirateten, und 1938 wurde ihr
Sohn Siegfried geboren, der von einer chinesischen Amme gestillt wurde. „Ich
habe chinesische Muttermilch
in mir“, sagt Siegfried Maeker, während er in einem Fotoalbum blättert, das
das Leben in China in verbleichten Fotos zeigt.
1947 wurde die Familie von den Amerikanern
„repatriiert“, wie es damals hieß, also mit einem Truppentransportschiff
nach Deutschland gebracht. Die Flüchtlinge ließen sich schließlich in
Ludwigsburg nieder, wo Siegfried Maeker 1958 die Reifeprüfung absolvierte.
Seine Liebe zur Musik war Maeker nicht unbedingt in
die Wiege gelegt, auch wenn er seinen Vater als „Musik liebend“ beschreibt. Eher schon hat ihn als
Jugendlicher seine Zeit bei den Pfadfindern geprägt, mit denen er auf
Fahrten in ganz Europa unterwegs war. „Ich habe Gitarre gespielt, und von
den Fahrten haben wir viele Lieder mitgebracht“, erinnert sich Maeker.
Maeker studierte in Köln Völkerkunde, nachdem er ein
Jurastudium bis zum ersten Staatsexamen absolviert hatte. In dieser Zeit fand er Interesse an
Jazz und Blues, und er schloss sich einem Arbeitskreis an, der in Bonn
Konzerte veranstaltete. Durch einen Zufall lernte er eine Sinti-Familie
kennen – und diese Begegnung sollte seinen Lebensweg entscheidend bestimmen. Denn sie führte ihn nicht nur zu der Erkenntnis, dass
es unter den Zigeunern viele hervorragende Musiker gibt, sondern auch zur
Bekanntschaft mit Schnuckenack Reinhardt, einem Jazz-Geiger, den er 1967 für
vier Konzerte in Köln, Bonn, Düsseldorf und Bad Godesberg verpflichtete.
Dies war die Geburtsstunde des Tourneebüros Maeker, das noch heute
existiert. Die Arbeit mit Schnuckenack Reinhardt war ein Grund, warum Maeker
ein Angebot seines Professors abgelehnt hat, für ein Forschungsprojekt nach
Mexiko zu gehen, seine Frau Gunde, die er 1968 in Heidelberg heiratete und
mit der er drei Kinder hat, der andere.
Maeker betreute Schnuckenack Reinhardt bis 1972, dann
folgte Häns’che Weiß, mit dem Maeker 1978 den Deutschen Schallplattenpreis
gewann. Titi Winterstein, dessen Cousin Ziroli Winterstein und in neuerer Zeit Vano Bamberger bilden eine
durchgehende Reihe von Sinti-Musikern, die mit Maeker verbunden waren und
sind. „Mir war wichtig, dass die Sinti ihre eigene Kultur präsentieren
können“, sagt Maeker, der stolz darauf ist, dass „Musik deutscher Sinti“ zu
einem eigenen Genre geworden ist. „Die Arbeit hat sich gelohnt“, meint
Maeker, der Romanes spricht, die Sprache der Sinti.
1980 ließ sich Maeker mit seiner Familie in Atzenrod
bei Langenburg nieder. Seine Frau kannte Hohenlohe bereits – zu ihren
Vorfahren zählte Johannes Assum, der 1581 Hofprediger in Langenburg war.
Beim Sinti-Jazz ist es nicht geblieben. Große Erfolge
hatte Maeker in den 70er- und 80er-Jahren, in denen Liedermacher und
Folkmusik in Deutschland sehr populär waren, zum Beispiel mit „Bernie’s
Autobahn Band“, mit dem Folk-Duo „Zupfgeigenhansel“ oder mit Hannes Wader,
den er immerhin drei Jahre lang unter Vertrag hatte.
Aus Irland, Spanien, Griechenland, Rumänien oder
Russland kommt die Musik, die Maeker heute vertritt. Gerne spielen seine Gruppen in der
Mosesmühle in Bächlingen.
„Mich haben immer Musiker gereizt, die in ihren
Traditionen verwurzelt sind und künstlerisches Potenzial haben“, sagt
Maeker. Mit „gewachsener Musik“ wirbt er in seinem Firmenlogo, das einen
Baum darstellt.
Seit zwei Jahren lebt Maeker, inzwischen verwitwet, in
Amlishagen. Seine gemütliche Wohnung ist voller Erinnerungsstücke, zugleich
strahlt sie ganz gegenwärtige Arbeitsatmosphäre aus. Immer wieder klingelt
das Telefon, Maeker kümmert sich um Auftrittstermine, verhandelt mit
Veranstaltern und spricht mit einer Grafikerin über die Gestaltung eines
CD-Covers.
Neben Vano Bamberger und seiner Band ist ihm die
Gruppe „Exprompt“ in den letzten Jahren besonders ans Herz gewachsen. Das
sind russische Musiker, mit denen er derzeit eine CD produziert – womit
Maeker wieder bei seinen russischen Wurzeln angekommen ist.